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Anke Stelling

1. Wann hast du mit dem Schreiben begonnen und wann konntest du davon leben?

 

Ich habe schon als Kind geschrieben, vor allem Gedichte, wobei ich oft nicht wusste, wovon die handeln sollen. „Worüber soll ich schreiben?“, hab ich meine Mutter gefragt, genau wie „Was soll ich malen?“, und sie hat dann gesagt, sie wisse es auch nicht. Deshalb dachte ich, ich sei keine Künstlerin. Künstler*innen müssten doch wissen, was sie malen und worüber sie schreiben sollen. 

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© Havanna Skriba

Vom Schreiben leben konnte ich gleich nach dem Studium, da habe ich mein erstes Aufenthaltsstipendium angetreten, in Schloss Wiepersdorf. Ich hab für die erste Zeit auch Existenzgründergeld vom Amt bekommen, für meine kleine Ich-AG – das war damals ein Programm, um die Arbeitslosenzahlen zu senken.

 

2. Wie verknüpfst du das Leben als Autorin mit deinem Privatleben?

Das ist nicht einfach. Schreiben ist auf eine Art sehr asozial. Alles wird zu Geschichten, auch das eigene, echte Leben, und die Leute werden zu Figuren, auch man selbst. Also hört die Arbeit eigentlich nie auf. Andererseits wird so auch die Freizeit spannend. Ganz praktisch gehe ich „ins Büro“, jeden Tag so sechs, sieben Stunden lang, und schreibe, lese, denke nach oder rede mit meiner Dramaturgin. Danach gehe ich nach Hause und mache Haushalt, und an den Wochenenden schreib ich meistens nicht, sondern treffe mich mit Leuten oder gehe ins Kino – wenn nicht gerade Pandemie ist.

3.  Wie entwickelt sich die Geschichte deines Buches? Hast du von Anfang an einen Leitplan oder lässt du dich einfach treiben?

Ich glaube, dass eine Handlung sich aus dem Thema der Erzählung und deren Figuren heraus entwickeln muss. Handlung an sich finde ich gar nicht so spannend. Deshalb weiß ich zu Anfang eher, wer auftreten und welche seltsamen Phänomene oder Gefühle vorkommen sollen und weniger, was genau ablaufen wird. Da lasse ich mich dann tatsächlich eher treiben und werde manchmal überrascht, was die Figuren so machen und was am Ende mit ihnen passiert.

4. Welchen Leitsatz würdest du jungen Schreibenden mit auf den Weg geben wollen?

Einen richtigen Satz weiß ich nicht. Ich weiß, dass es hilft, beim Schreiben an sich selbst als Leser*in zu denken. Wenn ich zweifle oder nicht weiterkomme – oder so wie früher gar nicht mehr weiß, worüber und warum ich überhaupt schreiben soll – dann denke ich an die Texte von anderen, die ich richtig toll finde. Die mein Leben bereichert oder manchmal sogar gerettet haben. Das gibt mir Schwung. Weil deren Autor*innen – als sie dransaßen und nicht weiterkamen – bestimmt auch nicht dachten, wie gut und wie wichtig ihr Schreiben mal für andere sein würde. Und die haben zum Glück auch weitergemacht!

5. Gibt es eine Frage, die du gerne einmal beantworten würdest, welche dir in Interviews aber nie gestellt wird? Wenn ja, welche und wie lautet die Antwort?

Nein, ich weiß keine. Ich habe eine Freundin, die führt im Kopf immer Interviews mit sich selbst, oft auch auf Englisch. Die wüsste bestimmt welche.

6. Hat sich dein Leben, privat oder beruflich, verändert, nachdem du den Leipziger Buchpreis bekommen hast?​

Ja, ich bekomme viel mehr Anfragen für Lesungen und Texte, und ich bekomme auch mehr Geld dafür. Meine Bücher verkaufen sich besser, auch die, die ich vorher schon geschrieben hatte. Und Leute erinnern sich an mich und schreiben mir E-Mails, „Hey, bist du nicht die Anke, mit der ich in der Grundschule war?“ oder so. Aber privat hat sich nicht so viel verändert. Das fände ich auch seltsam, denn es ist doch ein ziemlicher Zufall, ob man einen Preis kriegt oder nicht.

7. Wirst du manchmal auf der Straße von „Fans“ erkannt?

Ja, schon. Manchmal sprechen mich Leute an, Frauen meistens, und sagen: „Sind Sie Anke Stelling? Ich habe Ihre Bücher gelesen“, und dann werd ich verlegen und sage: „Oh, das freut mich“, und sie sagen: „Ja, die fand ich toll!“, und ich sage: „Oh, das freut mich“ und denke: „Jetzt hab ich schon zum zweiten Mal ‚freut mich‘ gesagt, jetzt denkt sie nicht mehr, dass ich eine tolle Schriftstellerin bin.“ Aber es freut mich wirklich.

8. Wenn du deine Bücher nochmal schreiben würdest, wären sie anders?

Ja, ich glaube, dass ein Text immer auch zeigt, wo der oder die Schreibende gerade steht, und das verändert sich ja mit der Zeit. Inzwischen weiß ich manches besser und anderes dafür nicht mehr. Deshalb finde ich auch so wichtig, dass möglichst viele Leute verschiedener Herkunft und verschiedenen Alters schreiben und auch veröffentlicht werden.

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